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Eurobike 2017: Ein Rückblick

Alle Jahre wieder trifft sicher das Who's Who der Fahrradindustrie in Friedrichshafen am Bodensee. Drei "Business Days" für Fachbesucher und ein "Festival Day" für das bikebegeisterte Publikum.  Händlerkontakte, Suche nach Vertriebspartnern, Order, Imageaufbau, Nabelschau - unterschiedliche Motive gibt es für die Aussteller, sich zu präsentieren. Auch das Rahmenprogramm kann sich sehen lassen, Fashion Show, Travel Talk, Award, Academy usw. Neu auch die Blogger Base im Foyer Ost, danke an dieser Stelle an den Wriders Club für die tolle Organisation und Betreuung (Infomaterial, Networking-Frühstück, Gadgets, Standbesuche). Gewohnt katastrophal gestaltete sich wieder einmal die An- und Abfahrt zur und von der Messe. Die 1,5 Stunden am Morgen für die letzten 15 Kilometer lassen sich nicht mit dem Regentag erklären!

Wider erwarten (lange Schönwetterperioden im Frühjahr und Frühsommer) hatte der Fahrradhandel in Deutschland zwischen Jänner und Juni 2017 laut Angaben des Zweirad-Industrie-Verbandes (ZIV) einen leichten Rückgang der Verkaufszahlen im Ausmaß von 2,2 Prozent auf 2,64 Millionen Fahrräder (inklusive E-Bikes) zu verzeichnen. Als Gründe für den Rückgang werden der bereits hohe Bestand von etwa 73 Millionen Fahrrädern, die längere Haltbarkeit der Fahrräder, die Substitution klassischer Bikes durch E-Bikes und die alternde Bevölkerung genannt. Die reinen Verkäufe der E-Bikes boomen jedoch weiter mit einem geschätzten Absatz von 540.000 Einheiten im ersten Halbjahr und einem satten Verkaufs-Plus über 12 Prozent. Jedes fünfte in Deutschland im ersten Halbjahr verkaufte Fahrrad war ein E-Bike. Durch die höheren Verkaufspreise der E-Bikes sind die Umsätze des Handels leicht im Plus.

Entsprechend diesen Tatsachen war auch der Messeauftritt der Hersteller. Gefühlte 50 Prozent der ausgestellten Bikes waren E-Bikes. Auffallend war die weiter fortschreitende Integration des Antriebs und der Batterie in die Rahmen, das E-MTB wird langsam erwachsen und auch ein eigenständiges Produkt - anstatt eines Mountainbikes mit angeflanschtem Elektromotor und Akku.
Schöne Integration von Motor und Akku in den Rahmen
Aber der optische Auftritt der E-MTBs wird martialischer: vorwiegend grobstollige Plus-Bereifung, opulente Rahmen, langhubige Federung und flache Lenkwinkel kennzeichnen die neue Genertation der E-MTBs. Die folgenden Bilder zeigen exemplarisch die Entwicklung.
Martialischer Auftritt
Assoziation zu Motorrad - gewollt oder zufällig?
E-MTB oder Motorrad?
Anleihe im eigenen Haus - KTM Moto?
Für alle, die schon ein MTB haben und lediglich einen Umbau auf E-MTB vornehmen möchten, gibt es jetzt mehrere Möglichkeiten. War das ursprünglich nur mit einem Nabenmotor zu bewerkstelligen, gibt es jetzt neue Systeme, wie z. B. einen Mittelmotor, der auf das Tretlager aufgebaut werden kann. 
E-MTB Nachrüstkit mit Motor und Batterie
Eingebaut wirkt das Fahrrad kaum wie ein E-Bike
Und auch für die Biker, die sich (noch) genieren, mit einem E-MTB an den nicht motorisierten Mountainbikern (oder bei eventuellen E-Bike Verboten an den Trailwächtern) vorbeizuziehen, gibt es vom Dämpferspezialisten "German Answer" ein adäquates Produkt. Die Bikes aus der Serie "incognito" kommen nach der Messe auf den Markt und verbinden E-Antrieb und konsequenten Leichtbau mit diskreter MTB Optik.
german:a - E-MTB incognito series - unerkannt bleiben, eben incognito
german:a - E-MTB incognito series - auf den ersten Blick nicht als E-Bike zu identifizieren
Unauffällig als E-Mountainbiker unterwegs mit "incognito series"
Die Elektrifizierung macht auch vor Rennrädern nicht halt. Nicht nur Bianchi gibt seinem Rennrad mehr Schub mit Elektropower, wo ein unauffälliger, kompakter E-Antrieb zuwerke geht.
Rennrad mit E-Power
Kompakter italienischer 250 W Motor
Eine von diesem Anbieter eigentlich unerwartete Innovation wurde von Continental präsentiert. Das Unternehmen war in meiner Wahrnehmung bisher mehr Reifenhersteller als Technologieunternehmen. Umso mehr überrascht, dass Conti ein komplettes E-Bike System anbietet und einen neuen 48-Volt-Elektroantrieb mit einem vollautomatischen und stufenlos schaltenden Getriebe kombiniert, einfach genial. Diese Neuerung hätte ich eher bei einem Anbieter wie Shimano angesiedelt. Die Entwicklung belegt, dass die Unternehmen an die E-Moblilität glauben und in diesen Markt investieren wollen. Dieser Entwicklungsschritt ist m. E. richtungsweisend, damit entfallen für die E-Bikes nämlich alle externen Schaltkomponenten und integrieren diese in den Motor. Der Gedanke war mir schon vorher beim Besuch von Pinion gekommen, Getriebe in Kombination mit E-Motor - unschlagbar. Und Conti hat's gemacht!
Conti E-Bike System mit Motor-Getriebeeinheit
Interessant ist das Angebot an E-Bikes für Kinder. Diese E-Bikes können sogar per Fernbedienung in ihrer Leistung limitiert werden, z. B. die Höchstgeschwindigkeit zwischen 10 und 25 Km/h, und trotzdem wird den Kids eine Tour mit den Eltern durch die E-Unterstützung ermöglicht. Auch eine Möglichkeit, den Mädels und Jungs das Fahrrad näher zu bringen.
E-Bike für Kids
Nicht vermissst habe ich auf der Eurobike 2017 die spärlichen Auftritte der Gravel-Bikes, die zuletzt in der Presse gehypt wurden. Persönlich schätze ich, dass diese Bike-Spielart mehr Modeerscheinung denn nachhaltiger Trend ist und aus der Nische nicht herauskommen wird (wie bei den Fatbikes geschehen).

FAZIT: Wahrscheinlich sieht der Betrachter verstärkt das, was er sucht. Trotzdem kann festgestellt werden, dass sich auf der Eurobike 2017 sehr viel um das E-Bike in all seiner Jugend und Vielfalt gedreht hat. Das E-Bike zaubert nämlich derzeit nicht nur den Bikern, sondern auch den Händlern und der Industrie ein Lächeln ins Gesicht!


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