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Technik: Mountainbike versus Gravelbike?

Ist am Hype um die Gravelbikes etwas dran? Oder werden die Gravels künstlich gehypt, um die mauen Verkäufe im klassischen Fahrradmarkt wieder in die Gänge zu bringen? Die Antworten darauf wird es wohl erst in ein paar Jahren geben. Fakt ist, dass in den Fachmedien und in den Blogs das Thema beständig herumgeistert. Aber das war auch bei den Fatbikes so... 


Bemerkenswert finde ich, dass die Diskussion eher in der Roadbike Community stattzufinden scheint und bisher die MTB Community weitgehend verschont hat. Die Infos zu den Gravelbikes habe ich im Granfondo Cycling Blog gefunden, dort steht ein hervorragender Beitrag, der das ganze Thema Gravelbike sehr gut  durchleuchtet. Dort habe ich auch gelernt, dass sich die Gravels, je nachdem, ob sie von der Ausrichtung her näher an Road- oder Mountain-Bike sind, in Backroad- und Adventure-Gravels einteilen lassen, andere lassen sich wiederum gar nicht zuordnen. Es kommt also auf die Nutzung der Gravels an. Diese Vielschichtigkeit zeigen auch die Gewichte der Gravels: Während es Carbon- oder Titan-Athleten mit Gewichten von knapp 8 Kilo gibt, bringen es andere Sportler mit Stahl- oder Alurahmen auf üppige 11 Kilo und mehr Kampfgewicht. Ähnlich wie beim MTB werden bei den Gravels zwei Laufradvarianten verbaut, 650 B und 700 C, entsprechend in etwa 27,5 Zoll und 29 Zoll.

Offensichtlich schließt das Gravelbike derzeit die Lücke zwischen Rennrad und Mountainbike. Mit Mountainbike meine ich nicht unbedingt die leichtem 29 Zoll Hardtails, denn diese sind den Gravels bei Gewicht, Bereifung, Geometrie, Schaltung und Bremsen ziemlich ähnlich. Wenn man beispielsweise zwei Fahrräder eines Herstellers, hier von Ghost, einmal unter die Lupe nimmt, fallen die Gemeinsamkeiten zwischen einem abgespeckten Hardtail und einem Gravelbike stärker ins Auge als die Unterschiede. Okay, der Dropbar mit 420 mm Breite gegenüber dem 740 mm Lenker fällt auf. Und vielleicht sind da noch die beim Gravel etwas schmaleren und weniger profilierten Reifen, 29x2.0 beim Gravel, 29x2.2 beim Hardtail, aber der Rest?
Vergleich Ghost Raod Rage und LectorX
 
Die Geometrien sind sehr ähnlich, Sitzwinkel und  Lenkwinkel sind nahezu identisch. Oberrohr und Reach fallen beim Gravel lenkerbedingt deutlich kürzer aus und die Sitzposition ist kompakter und auch durch die tendenziell größere Sattelüberhöhung etwas näher am Straßenrenner. Die Länge der Kettenstreben hingegen ist bei den beiden nahezu identisch. Beide Räder haben Scheibenbremsen der gleichen Dimensionierung 180/160 mm, eine 1x11 oder eine 1x12 Schaltung. Selbst die Gewichtsdifferenz ist marginal, nur 0,2 Kg trennen die beiden Renner voneinander, sogar zu Lasten des Gravel, das in diesem Fall 9,6 Kilogramm mit sich führt.

Wenn ich also vermute, dass die Gravels die Lücke zwischen Montainbike und Roadbike schließen sollen, denke ich nicht an die Lücke zwischen einem Hardtail und einem begrenzt geländetauglichen Straßenrad, sondern an jene zwischen einem Fully und einem schnellen Bike für Straßen, Nebenstraßen und Schotterwege. Die Fullys haben sich  tendenziell abfahrtsorientiert entwickelt, also mit immer längeren Federwegen und immer höheren Systemgewichten, für 15 Kilogramm Mastgewicht scheint sich heute kein Hersteller eines Fullys mehr zu genieren. Dabei besagt eine Studie, dass der Großteil des Mountainbikens nicht in den Bergen, sondern in der Stadt oder in urbanen Räumen ausgeübt wird. Der Großteil der Biker lebt nämlich in urbanen Gebieten und übt seinen Sport auch dort aus.

Ist der Trend zum Gravel (wenn es denn einer ist) vielleicht das neue Downsizing beim MTB? Weil das Gewicht und die üppige Ausstattung beim Allmountain für den tatsächlichen Verwendungszweck einfach 'too much' sind? Zu viel Speck auf den Rippen für die Verwendung im Alltag? Erinnern diese Gravels nicht ein wenig an die MTBs der ersten Generation? Mit Starrgabel und 54 cm schmalem Lenker mit Lenkerhörnchen? Tauglich für den Radweg, die Stadt, die Forststraße und den Trail: Allroad und Allround! Braucht es dafür - ganz dem Zeitgeist hinterherlaufend - ein neues Produkt oder würde ein schlankes 29er Hardtail mit adäquater Bereifung und großer Übersetzungsbandbreite den Job auch machen?
Mountainbiken 1990 - nur mit Starrgabel
Mountainbiken 2005 - ausschließlich mit Hardtail
 
FAZIT: Ich persönlich brauche kein Gravel, denn ich habe mein persönliches Downsizing schon vollzogen. Ich bin seit Sommer 2017 wieder Hardtailfahrer, nutze ein Scott Scale 910. Mein Fully, ein Scott Genius 700, durfte in der letzten Bikesaison nur ganze dreimal vom Haken - wegen Reparatur am Hardtail. Wenn ich mal in einen Bikepark will, dann darf das Genius wieder ran. Und wenn ich mal von Bozen an den Gardasee mag, schaffe ich das mit meinem Hardtail. In meinem Revier gibt es keinen Trail, der nicht mit dem Scale zu bewältigen wäre. Worauf ich nicht verzichten möchte, ist die Federgabel, geöffnet oder gesperrt, je nach Untergrund, darum ist das Gravel keine Option für mich. Das Hardtail bringt 10,5 Kilo auf die Waage und ist für mich Allroad und Allround.

Kommentare

  1. Hallo Hubert,

    schöner Artikel, obwohl für mich zu technisch! :-( Aber ich bitte um Rat .. Wenn ich in MB weiterlaufen wollte, sollte ich ein normales MB kaufen, hier bei Seiser Alm Schlern habe ich nur MB mit dem Pedal unterstützt gesehen! Ich möchte mich bemühen, also bin ich in der Zwischenzeit Training in den Bergen laufen .. (Trailrunning) Ich entschuldige mich für meine Sprache .. Ich lerne Deutsch. Gianluca

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  2. Buon giorno Gianluca, grazie per aver fatto lo sforzo a commentare in tedesco - complimenti! Se ho capito bene ti chiedi se investire in una bici elettrica, cioè in una E-MTB oppure in una MTB tradizionale. Secondo me, che sei giovane ed allenato opterei per quella "a forza muscolare" e non assistita a motore. Non farti distrarre da quello che vedi all' Alpe di Siusi, quello che vedi sono turisti. Anch' io l'estate scorsa sull'Alpe mi sono accorto di essere se non l'unico uno di pochi a forza muscolare. Però la decisione è tua, a 60 o 70 puoi sempre cambiar idea... :-)

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  3. Buongiorno Hubert,
    beh giovane mica tanto.. comunque sono abbastanza allenato dai, amo lo sport, la montagna e il tedesco.
    Purtroppo la mia MB l'ho venduta per acquistare un iMac che mi serve per lavoro.
    Conto entro l'anno di acquistarne una, spero!
    Comunque a me non piacciono quelle elettriche, mi sembra di essere un handicappato, ma per molti magari è un vantaggio!
    Se ho bisogno di consiglii posso chiedere a te o devo andare da Alpine Sports? :D

    Grazi Hubert, ci sentiamo e buona giornata

    Vielen Dank, Tschüss

    Gian

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  4. Ja, passt, das Gravel von heute ist das Hard-Tail mit Dirt-Drop von früher - für mich ideal, jetzt keine Bastellösungen oder Lenkerendschalthebel mehr, sondern entsprechende Schaltungen von der Stange, Scheibenbremsen sind auch nett. Auf langen Touren bevorzuge ich Oberlenker und Hoods im Wechsel, wäre wohl auch mit Bullshorn oder einem flachen, schmalen Lenker mit bequemen Barends zufrieden. Hauptsache ich bleibe nicht mehr im Sand Stecken oder muss mir Sorgen um Straßenbahnschienen machen 🤣
    Heutige MTBs mit den extrem breiten Lenkern und zuviel Federung sind in der Stadt übertrieben, Rennräder ebenfalls (Straßenqualität, Schienen), Trekkingräder meistens gefühlt zu langsam und nicht wendig genug (Radstand!), daher bin ich für den Trend dankbar.

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  5. Ich habe einen zweiten Laufradsatz mit "Sommerreifen" für den Asphalt für das Stevens Sonora 29" Hardtail montiert. So kann ich einerseits mit dem Stollenlaufradsatz in die Berge und nach Ruckzucktausch mit den Straßenrädern Asphalt und leichten Schotter bezwingen. Ein Gravelbike erübrigt sich so für mich.

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