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26er oder 29er? Kann ein Hardtail das Fully ersetzen?

Ich hatte bereits in einem früheren Beitrag die Frage gestellt, ob Twentyniner Bikes die besseren Fullys seien oder das Zeug hätten, diese abzulösen. Ein Test in der Bike 05/2013 lässt mich wieder über das Thema nachdenken.
Fakt ist, dass die 29er Mountainbikes wie in der Bike zitiert "erst belächelt, dann verflucht und am Ende durchgestartet" sind. In den Bikeläden finden sich nur mehr sehr wenige 26 Zoll Bikes. Hier haben die Hersteller entweder durch massiven Druck auf den Fachhandel oder durch die Limitierung des Angebotes oder die teilweise Einstellung der Produktion von 26 Zoll, ihr Ziel erreicht, dem 29er zum Durchbruch zu verhelfen. Die Entwicklung wird gezielt auf das 29er gelenkt, alles gepaart mit massiven Marketingmaßnahmen und Berichten in der Fachpresse. 29 Zoll ist jetzt in Mode, was aber nicht heißen soll, dass es generell besser ist.

Sicher hat in den letzten ein-zwei Jahren auch ein technischer Fortschritt in der Entwicklung stattgefunden, der den Twentyninern zu mehr Konkurrenzfähigkeit und somit Akzeptanz verholfen hat. Die Rahmengeometrien haben einen guten Standard erreicht, sind mit Hilfe von Steckachsen steif und auch leicht geworden. Durch dünne Sattelstützen mit 27,2 mm Durchmesser erzielte man mehr Komfort. Und auch die Zulieferer haben mit leichten Laufrädern zu mehr Fahrspass beigetragen, es steht eine größere Auswahl an Gabeln zur Verfügung. Um Gewicht zu sparen werden fast ausschließlich Schaltungen mit 2x10 Gängen verbaut. Außerdem wurden die Schaltgruppen auf die großen Räder angepasst, es stehen Kettenblätter mit 24/38 Zähnen in Verbindung mit 11-36 Ritzeln zur Verfügung. Dies lässt eine gerade noch ausreichende Übersetzungsbandbreite für fast alle Verwendungszwecke zu. Allerdings bestätigt eine Umfrage auf www.bike-magazin.de, dass rund 65 Prozent der Nutzer lieber eine 3x10 Kurbel als andere Varianten fahren.
Quelle: www.bike-magazin.de
Den Kunden gegenüber hat der Trend zum 29er aber teilweise zu skurrilen Situationen geführt. Da wird zarten Frauen mit unter 50 Kg Körpergewicht und einer Größe von 1,60 als Einsteigermodell vom (Fach-)Händler im Brustton der Überzeugung ein 29er in Größe S oder XS angeboten. Diese Teile bringen bei den Einsteigerbikes locker über 13 Kilo auf die Waage (siehe Test) und schenken sicher keine Freude am Fahren. Warum aber macht der (Fach-)Händler das? Ganz einfach, er hat keine 26er in der Preisklasse über 1.000 Euro geordert und will somit die 29er Modelle an den Mann oder an die Frau bringen, die er lagernd hat. Die 26-Zöller bilden lediglich die Einstiegsklasse um 500 Euro und fristen in den Läden ihr Dasein als Bikes für die schmale Geldtasche und für Jugendliche.

Tatsächlich geht es bei der Auswahl der Radgröße um den Verwendungszweck des Bikes - Freeride, Enduro und Co. bevorzugen aus Gründen der Stabilität immer noch 26 Zoll. Bei 29 Zoll haben Marketing, Presse und Fachhandel wie oben beschrieben die Meinung der Bike-Community ín ihrem Sinn geprägt.

Aber es geht auch um Proportionen und Gewichte. Erstens passt eine 160 cm Person auf kein 29er. Das sieht nicht nur aus, als säße ein Kind auf einem Erwachsenenbike, sondern das fährt sich auch so. Und zweitens sind diese Räder im Einsteigerbereich mit deutlich über 13 Kilo Gewicht auch nicht dazu angetan, dem Biker Freude zu bereiten.

29er für Fahrer zu groß
Große Biker werden sich hingegen auf dem 29er wohlfühlen, sie sitzen weniger oben auf dem Bike sondern vielmehr im Bike, benötigen weniger Auszug an der Sattelstütze und weniger lange Vorbauten. Und auch optisch ist die Sache stimmig.

26 Zoll Bike für Fahrer zu klein
Was die Frage betrifft, ob das 29er Hardtail das Zeug hat, ein 26 Zoll Fully zu ersetzen, so meine ich, dass die Frage falsch gestellt ist. Der Umstieg von einem Hardtail auf ein Fully ist - unabhängig von der Radgröße - in jedem Fall eine Eröffnung. Wer von einem 26 Zoll Hardtail auf ein 29er Hardtail umsteigt, mag im mittleren bis höheren Preissegment einen Zuwachs an Komfort und auch einige andere, der oft zitierten Vorteile der großen Räder spüren. Der Umstieg von einem 26er Fully auf ein 29er Hardtail hingegen wird niemanden zufriedenstellen, zu unterschiedlich ist das Fahrverhalten zwischen Fully und Hardtail. Und wer glaubt, die großen Räder könnten einfach "wegbügeln", was sonst ein Dämpfer am Heck schluckt, der wird schwer enttäuscht sein. Wenn man schon glaubt, von den kleineren auf die großen Räder wechseln zu müssen, dann sollte man beim gewohnten Federungskonzept bleiben. 

Kommentare

  1. Hallo Hubert,

    vielen Dank für diesen interessanten Beitrag! Ich als MTB-Einsteigerin wurde genau mit dem gleichen Problem konfrontiert - in den Fachgeschäften werden fast durchweg die 29" Modelle empfohlen, fast so als ob es die 26" nie gegeben hätte.

    Ich finde, jeder sollte das für sich entscheiden und weniger auf Marketing-Zeugs achten.

    LG, Sonja

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  2. Freut mich, wenn meine Berichte Anklang finden, danke!

    Nach dem ganzen Hype um das 29er Bike möchten nicht wenige Hersteller wieder die Vorteile der kleineren Räder nutzen. Eine Rückkehr zum bewährten 26er wagt aber kaum ein Hersteller, weil die Marketingkeule in den letzten Jahren das 26 Zoll Bike niedergemacht hat, um die 29er zu pushen. Das erklärt den Gegentrend zum 27,5- oder 650B-Standard. 650 B fährt sich wie ein 26er, ist neu und hat darum ebenso viel "Sexappeal" wie das 29er. Denn der um vernachlässigbare drei Zentimeter größere Raddurchmesser, kann es nicht sein, denn dieser bedingt beim Fahrverhalten kaum einen Unterschied zu 26 Zoll.

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  3. Ich hab gerade mit nem älteren ´03er Stevens 26er Fully nen Alpencross hinter mir. Neben mir waren drei Kumpels mit modernen 29er am Start, zwei Hardtails und ein Fully. Was soll ich sagen, Im harten Gelände bergab fuhren beide Fullys, egal ob 26er oder 29er, in einer Liga. Und die Hardtails gnadenlos hinterher. Und die waren nach so ner holprigen Abfahrt auch punkto Handgelenke irgendwann am Ende.

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