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Technik: MTB-Schaltungen Übersetzung 1x12 vs. 2x11

Sieht man sich in den Fachgeschäften um, stellt man fest, dass kein einziges Mountainbike der Mittel- oder Oberklasse in der Erstausrüstung mehr mit 2fach Kurbel bestückt ist. Nur im untersten Einstiegsbereich finden sich noch MTBs mit 2fach Kurbeln, nach einer 3fach Kurbel muss man schon sehr lange suchen. Letztere gibt es ausschließlich im Billigsegment, wo Schaltungen von Citybikes u. ä. an Rädern verbaut werden, die den Namen MTB nicht verdienen. Auch bei den Versendern finden sich 2fach Schaltungen äußerst selten, nicht einmal in der Einstiegsklasse werden sie noch verbaut. 

Im Wettbewerb um den technischen Fortschritt hat besonders der US-Hersteller SRAM, zuerst mit seinem Produkt XX, mit ursprünglich 2x10 Gängen, den 3fach Schaltungen den Garaus gemacht. Dann kam SRAM mit der XX1 Eagle, zuerst mit 1x11 und dann mit 1x12 und hat den Wettbewerb wieder neu entfacht. Der Platzhirsch Shimano musste jeweils nachziehen und hat teilweise Marktanteile in der Erstausrüstung verloren. Diese konnten erst wiedergewonnen werden, als die Japaner zuerst auf 2x11 und dann auf 1x12 nachgezogen haben. Siehe auch Beitrag vom Juli 2015, da gab's noch kein 1x12.

Sind die Schaltungen durch diese Entwicklung besser geworden? Wie fühlen sich Einfachkurbeln mit größeren Gangabstufungen an? Was sind die Vorteile und Nachteile der verschiedenen Schaltungen? Wie steht es mit Haltbarkeit und Verschleiß? Auf diese Fragen werde ich im Folgenden eingehen. 

Für den Einsteiger ist sicherlich weniger mehr. Wer in den Radsport einsteigt und sich generell erst mit der Schaltlogik beschäftigen muss, empfindet es als Voreil, wenn nur ein Schalthebel zu bedienen ist und nicht mit beiden Händen aus 20 oder 30 Übersetzungsvarianten, die sich teilweise überschneiden, gewählt werden muss. Weniger heißt hier: Nur ein Hebel, rauf oder runter, leichter oder härter. Einfach eben - wie Einfachschaltung.

Die Einfachschaltungen haben durch den Wegfall von Umwerfer, Kabelzug mit Zughülle und Schalthebel weniger Komponenten und sind dadurch leichter und auch weniger fehleranfällig. Kettenabwürfe an der Kurbel sind quasi inexistent und können mit einer einfachen Kettenführung vollständig unterbunden werden.

Einfachkurbel mit Kettenführung
 

Trotz der schmaleren Bauweise von 1x12 Ketten sind diese haltbar und haben eine gute Lebensdauer, zumal diese nicht durch den Umwerfer und dem Wechsel zwischen den Zahnkränzen an der Kurbel zusätzlich beansprucht werden. Die Schaltwerke wurden an die enormen Gangwechsel zwischen kleinstem und größtem Ritzel konstruktiv angepasst, schalten schnell und ohne Tadel. 

Schaltwerk 1x12
 

War ursprünglich die geringe Bandbreite von 1fach Schaltungen ein Problem, hat sich das bei Shimano mit 10-51 Ritzelpaketen und bei SRAM mit neuerdings 10-52 Ritzelpaketen enorm verändert, mit nunmehr sagenhaften 510 bzw. 520 Prozent Bandbreite.

Für Biker, die die gesamte Entwicklung von 3x9 über 2x11 zu 1x12 durchgemacht haben und für die das Schalten an sich reine Routine ist, könnte eine Einfachschaltung zumindest gewöhnungsbedürftig sein. Die Bandbreite meines 1x12 ist zwar mit 510 Prozent enorm, mit einer Kurbeldrehung schafft man bei "Kette rechts", also im schnellsten Gang, mit 34x10 eine Strecke von 7,82 Meter, was bei 80 Kurbelumdrehungen pro Minute einer Geschwindigkeit von 37,5 Km/h entspricht. Bei 90 Kurbelumdrehungen gehen 42,2 und bei 100 Kurbelumdrehungen sogar 46,9 Km/h. Das ist beachtlich und kommt fast an die 3fach XTR mit 42x36 aus dem Jahr 2012 mit einer Entfaltung von 8,02 Metern und 38,5 Km/h bei 80 Kurbelumdrehungen heran. Die 2fach Kurbel mit 34x11 und einer Entfaltung von 7,11 Metern und 34,1 Km/h wird deutlich übertroffen. Was also die Endgeschwindigkeit angeht, ist das Übersetzungsverhältnis der 1x12 ausreichend und erlaubt auch im Flachen oder abwärts einen entspannten Tritt.

Bergauf bewälltigt die 1x12 bei "Kette links", also im leichtesten Gang, mit 34x51 eine Strecke von 1,53 Metern. Die 2x11 mit 24x42 bietet mit einer Entfaltung von 1,31 Metern schon ein größere Reserve. Die 3x9 mit 24x36 und mit 26 Zollrädern kommt auf 1,4 Meter. Die 2fach und 3fach Schaltungen haben also jeweils einen bzw. gar zwei leichtere Klettergänge. Dies mag im Alltag unerheblich sein, aber auf schweren Alpentouren mit langen, steilen Anstiegen oder kräftezehrenden Rampen jenseits der 20 Prozent machen 10 - 20 cm mehr oder weniger Entfaltung schon etwas aus. Vor allem macht es einen Unterschied, ob ich noch einen "Zwischengang" zur Verfügung habe oder zwischen gefühlt zu leicht oder zu schwer abwägen muss - denn beides kostet Energie. Besonders bei SRAM fällt der Sprung vom 2. in den 1. Gang enorm aus, denn dort verändert sich durch den Gangwechsel von 36x42 zu 36x52 die Entfaltung von 1,86 zu 1,50 Metern. Und das ist ein Riesenunterschied.

Steile Rampen führen zum Tierser Alpl 2.440 m

Letztes Wochenende habe ich nach langer Zeit wieder einmal die Rampe hoch auf das Tierser Alpl in Angriff genommen. Diese Tour hatte ich schon vor 10 Jahren in einen meiner ersten Blogbeiträge beschrieben. Damals war ich noch auf einem 26 Zoll Scott Scale mit 3x9 Shimano XTR Schaltung unterwegs und damit ging es - nicht leicht, aber machbar - die bis zu 25 Prozent steilen Rampen hoch (24x36 Entfaltung 1,40 m). In diesem Jahr war das mit der 1x12 etwas mühseliger, zwar mit Willenskraft fahrbar, aber schwierig. In den steilsten betonierten Abschnitten hätte ich mir eine noch kürzere Abstufung gewünscht. Der 24x40 oder 24x46 auf dem Scott meiner Tochter war mit einer Entfaltung von 1,38 bzw 1,20 Metern wesentlich angenehmer zu fahren und bot im direkten Vergleich mit meinem Trek mit der Entfaltung 1,53 m eine Reserve von ganzen zwei Gängen (mit Ritzel 11-46).

 

Grober Untergrund

Ist man erst einmal oben, vergisst man ob des grandiosen Panoramas alle Mühen und genießt die Gastfreundschaft des Schutzhauses. Auf der Terasse lässt sich bei Sonnenschein herrlich entspannen und die Speisekarte verspricht höchste Gaumenfreuden.

Bergpanorama
 

Fazit: Die 1x12 Schaltungen decken ein sehr breites Spektrum an Schaltstufen ab, auch wenn die Abstufungen zwischen den einzelnen Gängen größer ausfallen als bei 2x11 oder 3x9. Damit muss man zurechtkommen. Die Haltbarkeit ist wegen der geringeren Anzahl an Bauteilen sehr gut, dazu kommt eine moderate Gewichtserspartnis und eine aufgeräumte Optik am Bike. Der Rest ist Gewöhnung!
 

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