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Mountainbike und Elektronik

Zugegeben, wir hatten in Südtirol in diesem Winter nicht viel Schnee. Ein klein wenig kann sicher noch dazukommen, aber die Sonne hat schon viel Kraft und wird auch diesem Winter den Garaus machen. Auch in den höheren Lagen ist die Schneedecke nur dünn - das bedeutet, dass meine Hometrails schon früh schneefrei und trocken sein werden. Ich freue mich schon riesig darauf, mich wieder in den Sattel zu schwingen. 
 
Noch tragen die Trails das Winterkleid
 
Diese Vorfreude empfinde ich besonders, wenn ich in meinem Blog schreibe oder über einen zu verfassenden Beitrag sinniere. Und natürlich auch beim Schmökern in allen möglichen Bike Magazinen. Diese befassen sich in den Wintermonaten besonders gern mit neuer Technik und neuen Modellen. Unzählige Bikes werden getestet und bei den Interessierten eine riesige Begehrlichkeit geweckt: Lust auf's Biken und Lust auf neue Bikes. 
 
Bald ist es wieder soweit
 
Die Tests sind sehr breit angelegt, umfassen viele MTB-Typen, vom 1.000-Euro-Hardtail bis zum 10.000-Euro-Super-Fully. Als bekennender Scott-Fan habe ich mich letzten Monat begeistert auf den Artikel über das neue Scott Spark 700 Ultimate gestürzt. Für läppische 9.799 Euro Listenpreis gibt es Technik vom Feinsten: Das Ultimate rollt auf 27,5 Zoll Carbonrädern, geschaltet wird elektronisch mit der Shimano XTR Di2, am Highend-Carbonrahmen sind eine 120 mm Federgabel und ein 120 mm Dämpfer mit elektronischer Fahrwerksregelung iCTD von Fox verbaut. Elektronische Schaltung und Dämpfer teilen sich das Display und den Akku. Frei von Elektronik sind lediglich die potenten XTR Bremsen, diese müssen (noch) ohne ABS und Bremskraftverstärker auskommen. Laut Testergebnis fährt sich das 10,4 Kg-Carbon-Juwel fantastisch. Wen wundert's bei einem nagelneuen MTB dieser Preisklasse! 

Ich liebe  zwar High-End Bikes, aber Hand auf's Herz, jenseits aller Begeisterung für Technik und Innovation, was hat der Benutzer, also der Biker, von diesen neuen, elektronisch angesteuerten, Komponenten? Das mechanische "Twinlock Lever System" am Scott Spark und Genius meistert die drei Einstellungsmodi an Federgabel und Dämper (blockiert, Traktion, offen) über einen einzigen Hebel am Lenker komfortabel und wartungsfrei. Die XTR Schaltung bietet seit jeher leichtgängige und schnelle Schaltvorgänge bei allen Bedingungen - unter Belastung, bei Nässe, im Matsch. 
 
Sorglos Mountainbiken mit einem Racefully
 
Welchen Zusatznutzen sollte also der Biker von der Elektronik am Bike haben? Wartungsarmut? Wohl kaum, der Akku ist regelmäßig aufzuladen und nach einer bestimmten Anzahl an Zyklen zu erneuern. Ausfallsicherheit? Unwahrscheinlich, denn die bisher gesammelten Erfahrungen mit Elektronik zeigen, dass Feuchtigkeit und Schmutz vermehrt zu Ausfällen führen. Redundante Systeme am Bike zur Absicherung der Funktionsfähigkeit sind zu schwer, zu teuer und kommen somit nicht in Frage. Wartungsfreundlichkeit? Eher nicht, denn es gibt zwar viele Hobbyschrauber, aber die Dichte an Mechatronikern in der Bevölkerung ist doch eher gering. 
 
Sorglos Mountainbiken mit einem Hardtail
 
Auf Tour, beim Alpencross oder sonstwo in der Natur, wird ein Defekt zu einem Problem, wenn man nicht mehr selber Hand anlegen und das Bike zumindest notdürftig reparieren kann. Und bei einer Anhäufung von elektronischen Bauteilen am Mountainbike werden die Luftpumpe, das Multitool, die Zange und der Kabelbinder nicht mehr für eine Reparatur ausreichen. Außerdem fehlen Erfahrungswerte, wie sich die Elektronik mit den Jahren verhält. Klappt es mit der mechanischen Schaltung mal nicht mehr ganz reibunglos, schafft der Austausch von Zügen schnell und günstig Abhilfe. Wie sieht dies aber bei Kabelsträngen, Kontakten, Schaltern, Akkus aus?

FAZIT: Dieser Beitrag soll nicht als Appell verstanden werden, sich technischen Neuerungen und dem Fortschritt zu verschließen. Was wären die Mountainbikes heute ohne Carbonteile, Federgabel, Scheibenbremsen und absenkbare Sattelstützen! Der Beitrag soll aber zum Nachdenken anregen, denn jede Neuerung muss einen Mehrwert für den Biker darstellen, einen Fortschritt für das Bikeerlebnis und nicht für die Technik. Erhöhte Dauerhaftigkeit und Ausfallsicherheit der Mountainbikes sollte angestrebt werden, anstatt neue Schwachstellen zu schaffen. Überlassen wir den Elektronikschnickschnak den Flugzeugen, Autos, Motorrädern und, warum nicht, auch den E-Bikes, dort macht er Sinn. Für das Scott Spark Ultimate heißt das in der Konsequenz, nettes Flagship für Scott, aber definitiv kein Bike für mich!

Siehe auch meinen Beitrag "Wieviel Technik braucht ein Mountainbike"




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