Als eingefleischter Mountainbiker hatte ich vor zwei Wochen die Möglichkeit, an der Shimano E-MTB Experience teilzunehmen. In diesem Jahr fand erstmals ein Prolog statt, wo die Teilnehmer auf einer Teststrecke ihre Fahrkenntnisse unter Beweis stellen konnten und dann aufgrund ihres Könnens und ihres Fitness Levels in die für sie vorteilhafteste Gruppe eingestuft wurden. Dabei standen die Gruppen Genuss, Trail und Trail Advanced zur Auswahl. Außerdem wurden die Teilnehmer mit der Welt der E-Mountainbikes vertraut gemacht und Fahrtechnik Tipps vermittelt.
Tag 1: Nach dem Start in Naturns |
Tag 1: Auf dem Kreuzjoch/Sarntal |
Naturns, Sarnthein, Brixen, Bruneck und Sexten waren als Etappenorte ausgewählt worden. Je nach Gruppe wurden täglich bis zu 60 Kilometer und 1.500 Höhenmeter gefahren. Die Etappenorte konnten sich bei einer Abendveranstaltung mit ihren kulinarischen Highlights präsentieren, gleichzeitig wurde jeden Tag ein Resümee gezogen und die Etappen des kommenden Tages präsentiert. Die Streckenauswahl führte über geniale Trails quer durch Südtirol. Professionelle Bike Guides begleiteten die Teilnehmer über die Schiefer- und Gneisgesteinstrails des Vinschgaus und die Quarzporphyblöcke des Sarntals in die ersten Ausläufer der Dolomiten, hoch über Brixen und Bruneck, bis ins Herz der Dolomiten nach Sexten.
Tag 2: Querung Schneefelder auf der Villanderer Alm |
Experten, Hersteller, Touristiker, Guides und Teilnehmer konnten täglich Erfahrungen austauschen, die verschiedensten Bikes der Partner (Bulls, Centurion, Focus, Ghost, Haibike, Husquarna, Merida, Scott) ausprobieren und diese auf Herz und Nieren testen. Für den Gepäcktransport und die Hotelbuchungen am jeweiligen Etappenort war vom Veranstalter genauso gesorgt, wie für eine Mittagsrast auf einer Hütte. Bei dieser Gelegenheit wurden Batterien getauscht oder nachgeladen. Jede Gruppe wurde von einem Rettungssanitäter/Ersthelfer und von Serviceleuten der Hersteller begleitet.
Tag 3: auf der Rodenecker Alm |
Habe während der vier Tage ein paar Fakten und Erkenntnisse rund um das E-Biken zusammengetragen:
- Einige Teilnehmer waren als Vater-Sohn-Konstellation unterwegs, einige in der Paar-Konstellation, d. h. (fast) jeder kann mit jedem E-Biken.
- Guide und fittere Teilnehmer sollten nie mit maximaler Motorunterstützung fahren, damit schwächere Fahrer den Tritt halten und bei Bedarf mit höherer Unterstützung aufschließen können.
- Das Gruppenerlebnis stellt sich beinahe von selbst ein, wenn man zusammen fährt.
- Die Teilnehmer waren großteils Alterskategorie 50+, vom Fitnesslevel sehr unterschiedlich, zwischen "in homöopatischen Mengen vorhanden" bis "sehr ausgeprägt".
- Die teilnehmenden Frauen fuhren fast ausschließlich in der Genussgruppe.
- In der Trail Advanced Gruppe stand das Naturerlebnis nicht als erstes Motiv für für das E-Biken im Vordergrund, sondern es wurde geschreddet, nicht zum Vorteil des MTB-Images.
- Die Technik ist durch die zusätzliche Kraft des Motors anfälliger und macht Schalten unter Belastung zur Herausforderung für den Antrieb: Kettenabwürfe, Kettenrisse, Schaltwerkabrisse usw. waren an der Tagesordnung.
- Batteriemanagement ist auf Tour notwendig, das Fahren mit voller Leistungsunterstützung verkürzt die Reichweite dramatisch.
- Uphill Flow ist im Trend und wird gesucht, um diesen zu erreichen sind mittlere bis hohe Unterstützungsstufen notwendig.
- Sich ausschließlich mit eigener Kraft fortzubewegen, ist mit einem E-MTB im Flachen möglich, bergauf sind selbst wenige Höhenmeter ohne Unterstützung eine Tortur.
- Durch die üppige Bereifung - sehr oft im Plusformat - haben die E-MTBs gute Bodenhaftung und recht kurze Bremswege und verzeihen auch Fehler. Das Gewicht ist aber immer präsent und es fehlt die Leichtigkeit und Verspieltheit der unmotorisierten Brüder.
- E-Mountainbiken macht auch Kraft-Mountainbikern Spaß!
- Das E-MTB, als Teil der E-Mobilität, aber auch als Spaßgerät wird vor den Bergen nicht Halt machen und bringt neue Leute in Höhen, die für sie bisher nicht erreichbar waren, die Natur wird zum neuen Vergnügungspark für neue Zielgruppen.
Tag 4: Anstieg zur Plätzwiese |
Tag 4: Am Toblacher See |
Während der Tour hatte ich die Chance, nicht nur unterschiedliche E-MTB Modelle zu testen, sondern auch unterschiedliche Antriebe. Dabei habe ich festgestellt, dass sich die in der Fachpresse kundgetanen Bewertungen der Motoren wenig mit meiner Nutzererfahrung decken.
So war der Brose Motor im Bulls am ersten Tag für mich ein absolut gelungener Einstieg, die Unterstützung kommt lautlos daher und bietet völlig unspektakulär und unabhängig von der Kurbeldrehzahl den gewählten Umfang an Schub. Für mich der absolut leiseste und der neutralste Antrieb im Testfeld.
Bulls mit sahnigem Brose-Antrieb |
Der Yamaha PW-X Motor im Haibike wäre für mich der Kauftipp, denn er bietet je nach gewählter Stufe spürbare Unterstützung. Bei niedriger Trittfrequenz und beim Anfahren subjektiv mehr, bei höherer Trittfrequenz weniger Leistung, passt dieser Motor perfekt zu meinem Fahrstil. Dabei ist er leise und sparsam, die beiden höchsten Unterstützungsstufen habe ich zwar probiert aber nie gebraucht.
Haibike mit potentem Yahmaha PW-X Motor |
Shimano Steps bin ich im Bulls und im Focus gefahren. Im Bulls hat der Shimano ein nerviges Sirren und Summen von sich gegeben. Im Focus war er deutlich leiser, aber gefühlt immer noch lauter als Brose und Yamaha. Im Focus mit zwei Akkus habe ich den Motor mit stärkerer Unterstützung gefahren, bei niedriger Trittfrequenz ist für mich die Unterstützung zu schwach, bei hoher Trittfrequenz schiebt er viel mehr an und drängt auch bei Entlastung des Pedals immer noch eifrig nach vorne. Das stört für mich das natürliche Fahrempfinden. Mit leerem Akku bergauf war von der Leichtigkeit des High End Focus nicht mehr viel zu spüren und das Gefühl von zähem Kaugummi im Shimano-Antrieb bremste bei der Fortbewegung mit reiner Muskelkraft den runden Tritt deutlich aus.
Bulls mit Shimano Steps 8000 |
Focus mit Shimano Steps 8000 und doppeltem Akku |
Am wenigsten kann ich zum Bosch Performance CX Antrieb schreiben, denn diesen habe ich nur kurz und nicht über eine ganze Tagesetappe gefahren. Der erste Eindruck war, dass dieser näher an der Charakteristik von Yamaha liegt als bei Shimano, die Unterstützung kommt weniger drehzahlabhängig und damit gleichmäßiger und schon beim Antritt zustande.
Zu den Reifen möchte ich festhalten, dass ich auf zwei Etappen den Rocket Ron in 27,5 x 2.80 (Plus-Format) gefahren bin. Dieser Reifen gibt wenig Feedback zum Untergrund und bietet, sobald es nass ist, null Grip, weder bergauf, noch bergab. Besser ist da schon der Nobby Nick in der selben Dimension. Besseren Bodenkontakt habe ich beim 29 x 2.40 Continental Trail King verspürt. Dieser bietet viel Sicherheit im Downhill und Grip im Uphill ohne das schwammige Gefühl und die deutlich spürbaren Zentrifugalkräfte der Plus-Reifen. Trotzdem habe ich festgestellt, dass ein Großteil der angebotenen Testräder auf Plus Reifen daherkam.
Den Veranstaltern gilt höchstes Lob für die gelungene, zweite Ausgabe der Veranstaltung. Mein Dank geht außerdem an die Bikehersteller Bulls, Haibike und Focus, die mir die Testbikes zur Verfügung gestellt haben und an die hervorragenden Serviceleute von Shimano, die nicht nur mir bei meinem Kettenriss schnell und professionell geholfen haben. Ich werde jetzt zwar nicht mit einem lauten Hurra zur elektrifizierten Fraktion überlaufen, erkenne aber an, dass E-Mountainbiken riesigen Spaß bereitet und dass ich noch nie vorher so relaxed von einer mehrtägigen Tour zurück gekommen bin - trotz Trail Advanced Gruppe und ein paar total verrückten Mitfahrern wie etwa José Antonio Hermida als Testimonial für Merida.
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