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MTB: Verantwortung übernehmen

Das Wort „Holzweg“ steht für einen Weg, der in einem Wald angelegt wurde, um Holz zu beschaffen und nicht der Verbindung zweier Orte dient. Wenn jemand auf dem Holzweg ist, bedeutet das laut Wikipedia "ein nicht zielführendes Vorgehen und impliziert die Aufforderung, den Irrweg zu verlassen.“ Leider muss ich feststellen, dass wir als Gesellschaft in vielerlei Hinsicht auf dem Holzweg, d. h. auf einem Irrweg oder in einer Sackgasse, sind. Ich will mich hier in meinem Blog vor allem auf die Freizeitaktivitäten mit Schwerpunkt Mountainbiken beschränken. 

Südtirols wunderbare Kulturlandschaft
 

Mountainbiken

Der Umsatz der Fahrradbranche allein in Deutschland hat sich in den letzten zehn Jahren vervierfacht. Drei Viertel der gesamten Fahrräder waren dabei Räder für die urbane Nutzung. Das heißt, dass sich Fahrräder zu einem hochwertigen Mobilitäts- und Freizeitprodukt entwickelt haben - das ist gut. Die Hälfte der verkauften Fahrräder im letzten Jahr waren E-Bikes, gut ein Drittel davon waren E-Mountainbikes. Laut den aktuellen Zahlen aus dem Handel kommen auf ein Bio-Mountainbike neun E-Mountainbikes. 

Und hier zeigt sich die Kehrseite der Medaille. Diese E-MTB-Nutzer suchen die Natur und wollen das teure Gerät auch in der Freizeit nutzen. Dies bringt neue Herausforderung für den ländlichen Raum, für Tourismusregionen, für Rettungsorganisationen, für Grundbesitzer und für andere Wegenutzer. Die neuen Radfahrer haben kaum Erfahrung mit dem Biken im Gelände, haben auch wenig Bergerfahrung, sie sind mit der Technik nicht vertraut und können kleine Pannen ohne fremde Hilfe nicht beheben. (vgl. E-Mountainbike: Wohin geht die Reise?). Dabei sind die Ansprüche an den Freizeitwert und  besonders an die Wege groß. Sie sollen gepflegt, exklusiv, attraktiv, abenteuerlich und spannend sein.

Sehr viele Hotels, besonders jene der höheren Kategorien, stellen ihren Gästen E-MTBs zur Verfügung, um ihnen ein tolles Freizeiterlebnis zu bieten. Und unzählige Verleiher in den touristischen Destinationen bieten E-Bikes zum Verleih an. Aber sind die Neo-Nutzer überhaupt fähig, unbegleitet mit den kraftvollen E-Bikes umzugehen? Wie steht es mit den eigenen Fähigkeiten, der Erfahrung, mit Gleichgewicht und Kondition? Selbstüberschätzung und Leichtsinn treiben oft seltsame Blüten, zu oft enden sie im Krankenhaus oder gar zwei Meter unter der Erde. Wie ist das mit dem Helm? Sitzt er auf dem Kopf, baumelt er am Lenker oder ziert er den Rucksack? Bleiben die abenteuerlustigen Biker auf den Wegen? Sind die Routen dem eigenen Können angepasst? Wird eine Tour vorbereitet oder wird einfach darauflos gefahren? Wird vorausschauend und auf halbe Sicht gefahren? Ist der Neo-Biker bremsbereit, wenn hinter der Kurve, dem Fels oder dem Baum ein Wanderer, Weidetier, Holzstapel oder Traktor steht? Wie ist das mit der Rücksicht auf Wanderer und andere Naturliebhaber? Findet man Zeit für einen freundlicher Gruß, einen Dank fürs Vorbeilassen? Wie ist das mit dem Bremsen? Hinterlässt der Biker Spuren auf den Wegen?

Motorisiert unterwegs

Diese und weitere Fragen müssen geklärt werden, wenn der kleine Rest an Akzeptanz für die Biker in den Bergen erhalten bleiben soll. Jahrelang haben wir uns als Mountainbiker bemüht, dass wir die Wege frei befahren können und das Bewusstsein dafür zu schärfen, wie sich Biker in Bezug auf Wanderer verhalten sollten. Doch jetzt tauchen E-Biker auf, die oft über keinerlei Erfahrung verfügen und nur wenig Feingefühl zeigen. Die Nutzung von Trails nimmt zu, und dank elektrischer Unterstützung erreichen die Neo-Biker Pfade, für die ihre fahrerischen Fähigkeiten nicht ausreichen. Außerdem sind die E-Bikes mittlerweile übermotorisiert, auch wenn das niemand hören möchte, sie sind mittlerweile viel näher an einem Moped als an einem Fahrrad. Die per europäischer Norm festgelegte  theoretische Nenndauerleistung von 250 Watt wird weit übertroffen, laut Fachpresse erreichen die Top-Antriebsaggregate mittlerweile Spitzenleistungen von über 800 Watt. Das ist das Doppelte an Leistung, die ein Top-Athlet dauerhaft auf die Pedale bringt, eine Absurdität - ein Holzweg! 

Historische Wegverbindungen durchziehen das Land

 Kultur und Natur

Nicht nur beim Mountainbiken sondern bei allen Freizeitaktivitäten in der Natur muss der Respekt vor der Natur und der Kultur eingefordert werden. Die Wege entstanden nicht von alleine, sondern sind in mühevoller Handarbeit angelegt worden und sie werden auch heute noch häufig ehrenamtlich und meist von Hand instand gehalten. Daher besteht kein natürlicher Anspruch darauf, dass ein Weg frei von Steinen, Wurzelwerk oder Löchern ist. Auch der Müll, der gedankenlos von den Wegenutzern hinterlassen wird, muss von fleißigen Händen gesammelt und entsorgt werden. Besonders ärgerlich ist es, die von den Hundebesitzern säuberlich in die Säckchen verpackten und am Wegesrand abgelagerten Exkremente der Hunde einzusammeln.

Seit Jahrhunderten genießen sehr viele Weidetiere - vorwiegend Rinder, Pferde, Ziegen und Schafe - auf den Almen den Sommer und können sich dort frei bewegen. Die Almen sind seit jeher Wirtschaftsraum für die Landwirte und kein Zoo, die Tiere dürfen nicht gestört, nicht gefüttert und nicht gestreichelt werden (siehe eigenen Beitrag zur Begegnung mit Weidetieren). Die vorhandenen Gitter müssen immer geschlossen werden, damit die Tiere nicht die vorgesehenen Flächen verlassen und geschützt sind. Nur wenn sich Tiere direkt auf dem Weg befinden, darf der Weg verlassen und die Tiere umgangen werden, ohne diese aufzuschrecken. Ansonsten gilt es, auf den ausgewiesenen Wegen zu bleiben, Querfeldein ist tabu, sowohl zu Fuß als auch mit dem Bike.  
 
Was macht der Biker im Futter der Kühe?
 
Weidetiere nicht stören, nicht streicheln, nicht füttern

Auf den Wegen bleiben, Abstand zu Tieren halten

Das Zeigen von Rücksicht gegenüber der Natur, den Tieren und Pflanzen, geht weit über die bloße Wahrung der Landschaft hinaus. Es bedeutet auch, Lärm zu vermeiden. Bei Outdoor-Aktivitäten wie Wandern und Mountainbiken sollten wir uns bewusst sein, dass die Stille und die natürlichen Umgebungsgeräusche ein wichtiger Teil des Naturerlebnisses sind. Die Möglichkeit, die Klänge der Natur zu genießen, ist eine besondere Erfahrung, die nicht durch laute Musik aus Boxen oder das Abschirmen der Sinne durch Kopfhörer ersetzt werden sollte. Die Wahrnehmung und Erholung in der Natur sind von ganz anderer Qualität, wenn wir die Geräuschkulisse des Alltags hinter uns lassen. Hier können wir das Zwitschern der Vögel, das Bimmeln der Kuhglocken, das Rauschen der Bäume im Wind und das Plätschern eines Baches in ihrer vollen Pracht erleben und tief in die Schönheit und Ruhe der Natur eintauchen.

Gedanken und Fragen

Reichen Shared Trails oder oder müssen getrennte Wege für Mountainbiker und Wanderer angelegt werden? 

Generell und großflächig meine ich, reichen die bestehenden Wege für die verschiedenen Outdoorsportler aus, um mit dem notwendigen gegenseitigen Respekt in den Naturgenuss zu kommen. In den großen Bike-Hotspots und an Orten mit einem intensiven Rad- und Wandertourismus und dort, wo zusätzlich Bergbahnen und Shuttles Biker nach oben befördern, sind möglicherweise getrennte Wege für das konfliktfreie Nebeneinander von Vorteil.

Getrennte Wege für Biker und Wanderer
 
Wie können bestehende Infrastrukturen, wie die zahlreichen Forst- und Almwege, besser genutzt werden?

In Südtirol ist das Befahren der Forst- und Almwege für den motorisierten Verkehr verboten. Für Mountainbiker - und auch für E-Biker (Pedelecs sind Fahrrädern gleichgestellt) - gilt dieses Verbot nicht (Radfahren gilt nicht als motorisierter Verkehr), außer die Strecke ist ausdrücklich für Radfahrer gesperrt. D. h. es gibt ein enormes Potenzial an einfach zu befahrenden Strecken, auf denen man zu den schönsten Hütten und Almen kommen kann, die für die Neo-Biker genutzt werden können und sollen, denn diese sind nur mäßig steil und fast für jedermann befahrbar. Letztlich ist auf diesen Strecken reichlich Platz, die land- und forstwirtschaftliche Nutzung wird nicht eingeschränkt oder gestört. 

Viel Platz auf den Forst- und Almwegen

Wie können die Wegenutzer sensibilisiert werden?

Vorausgesetzt es steht die notwendige Infrastruktur zur Verfügung und wird beworben, muss die Sensibilisierung durch alle Interessierten, etwa durch die Hotels, Bike-Verleiher, Bike-Guides, Tourismusorganisationen usw. vorangetrieben werden. Ein guter Moment für eine Sensibilisierung bietet sich besonders auf den Hütten und Almen, diese profitieren eindeutig von den neuen Gästen und den höheren Besucherzahlen und stehen darum auch in der Plicht, auf ein korrektes Verhalten auf den Almen und Wegen hinzuweisen. Gute Beispiele für eine Sensibilisierung ist die Ride Fair Kampagne der Bike Hotels Südtirol und die Kampagne einer Tourismusorganisation zum Urlaub mit dem Hund.

 Brauchen E-MTBs so viel Power?

Die korrekte Bezeichnung für ein E-Bike wäre eigentlich Pedelec. Das steht für Pedal Electric Cycle. Sein Elektromotor unterstützt Fahrer bis zu einer bestimmten Geschwindigkeit ausschließlich beim Tritt in die Pedale. Die Limits für Pedelecs, um als Fahrrad zu gelten sind, Motorleistung maximal 250 Watt, Geschwindigkeit mit Motorunterstützung maximal bis 25 Km/h, Anfahr- und Schiebehilfe ohne Treten bis maximal 6 Km/h. Diese Vorgaben sehen in der praktischen Umsetzung etwas anders aus, denn die Maximalleistung kann deutlich höher liegen als die Nenndauerleistung und ist faktisch in der EU nicht begrenzt. Das mag verwirrend klingen, kommt aber daher, dass Nenndauerleistung und Maximalleistung immer stärker auseinanderklaffen. Begrenzt mit 250 Watt ist nur die Nenndauerleistung, das ist die höchste Nutzleistung, die ein Motor in einem Zeitraum von 30 Minuten abgeben kann (Durchschnittswert bzw. Mittelwert der Leistung). Dabei darf der Temperaturanstieg unter Laborbedingungen einen bestimmten Wert nicht überschreiten. Die Maximalleistung ist hingegen in der EU gesetzlich nicht definiert bzw. unbegrenzt. Tatsächlich haben die Hersteller bei der Ermittlung der maximalen Nenndauerleistung von 250 W Motoren also einen großen Ermessensspielraum.

Moderne E-Bike-Antriebe können also mit satter Leistung und enormen Drehmomenten aufwarten, die Marktführer Bosch und Shimano mit 85 Nm, Yamaha mit 80 Nn und Brose gar mit 90 Nm. Damit lässt man selbst bei einem Systemgewicht (E-Bike plus Fahrer) von 120 Kilogramm bergauf jeden Top Athleten mit Dauerleistung von 350 Watt bei einem Systemgewicht von 70 Kilogramm stehen. Wären die Motoren bei 250 Watt Maximalleistung limitiert, würde dies nicht funktionieren, denn selbst bei einer eigenen Leistung des Bikers von 150 Watt stünden insgesamt nur 400 Watt an Leistung zur Verfügung, um 120 Kilogramm zu bewegen, faktisch sind es aber bis zu 800-900 Watt.

Auch hier sehe ich ganz klar eine Sackgasse, je leistungsstärker die Bikes werden, desto schneller sind sie auf 25 Km/h und desto unbefriedigender ist das Tempolimit. Und es ist grotesk, wenn untrainierte Menschen mit hochgezüchtetem und schwerem Gerät die Berge hochfliegen, an denen sich ambitionierte Sportler abmühen. Hier sehe ich zwei Möglichkeiten, einmal die Selbstbeschränkung der Bike-Industrie, einige gute Ansätze sind mit den neuen Light-E-MTBs schon da, mit weniger Gewicht, aber auch weniger Nm und kleineren Akkus. Zum zweiten muss wohl die EU-Norm überarbeitet werden und dem Wettrüsten durch eine Beschränkung der Maximalleistung Einhalt geboten werden.

Zu guter Letzt sei auch noch an den Hausverstand, die gute Kinderstube, ein gutes Maß an Sensibilität und  Respekt sowie Achtsamkeit für die Natur bei allen Naturnutzern appelliert. Übernehmt Verantwortung!

Kommentare

  1. Bin 100% einverstanden, die E-Bikes sind zu stark motorisiert. Die Unfallstatistik der Bergrettung ist voll von schweren Unfällen mit E-Mtbs. Da treiben sich Leute in den Bergen herum, denen jegliche Fähigkeit zum Biken fehlt.

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